Verhaltensanalyse, Risikoerkennung, Leistungskontrolle – die digitale Überwachung am Arbeitsplatz nimmt immer ausgeklügeltere Formen an. Eine bisher zu wenig beachtete Studie des Überwachungsforschers Wolfie Christl zeigt auf, wie Microsoft und andere ihren Unternehmenskunden weitreichende Möglichkeiten zur Mitarbeiterüberwachung anbieten. Die Systeme versprechen mehr IT-Sicherheit, werfen aber auch grundlegende Fragen zum Datenschutz und zur Privatsphäre am Arbeitsplatz auf. Im Interview spricht Wolfie Christl über die problematischen Entwicklungen bei der algorithmischen Verhaltensanalyse von Beschäftigten und erklärt, warum viele dieser Praktiken in Deutschland rechtlich bedenklich sein könnten.
Ein besonders beunruhigender Aspekt ist die Frage, ob derartige Systeme etwa flächendeckend auf alle Beschäftigten angewendet werden. Solch eine umfassende Überwachung birgt das Risiko, dass Arbeitgeber diese Tools missbrauchen, um ihre Mitarbeiter auszuspionieren.
Diese Frage kann, denke ich, mit “Ja” beantwortet werden. Wo ein Trog ist, sind die Schweine nicht weit. Vorrangig geht es um Cybersicherheit. Daneben aber erlauben solche Tools eine Protkollierung der Tätigkeiten von Mitarbeitern, und zwar ohne den dazugehörigen Kontext:
Du hast fünf Minuten lang nicht an der Email weitergeschrieben? Erkläre dich beim nächsten Mitarbeitergespräch! Dabei hat ein Mitarbeiter vielleicht nur über eine passende Formulierung nachgedacht oder handschriftliche Notizen geordnet.
Somit hat der Arbeitgeber einen Pool an Pille-Palle-Sachverhalten, aus dem er sich bedienen kann, um Mitarbeitern z.B. Sonderzahlungen oder andere Vergünstigungen zu verwehren, wenn diese keine adäquate Antwort darauf haben. Außerdem können den Mitarbeitern dann die Daumenschrauben angezogen werden, wenn es wieder um Budgetkürzungen oder Ähnlichem geht. Schließlich sind die Personalkosten einer der größten Faktoren. Oder es eröffnen sich neue Möglichkeiten, den Mitarbeitern mehr Arbeit aufzudrücken, schließlich ist die exakten Dauer der jeweiligen Tätigkeiten genau protkolliert.
Wenn sich so etwas durchsetzt, dann hat ein Arbeitnehmer eine deutlich schlechtere Verhandlungsposition gegenüber dem Arbeitgeber. Die Implikation des Misstrauens des Arbeitgebers gegebüber dem Arbeitnehmer steht dann “beweisbar” im Raum.
Gute Arbeitgeber geben ihren Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss und räumen ihnen auch gewisse Freiheiten ein. Mitarbeiter, die gut und fair behandelt werden, sind loyaler (in dem Sinne, dass die Reputation des Arbeitgebers nicht negativ beeinflusst wird. Wenn der Arbeitgeber schlecht zahlt, das Arbeitsklima schlecht ist, oder die Mitarbeiter keine Unterstützung und Rückhalt erfahren, oder eben unnötigerweise überwacht werden, dann leidet der Ruf des Arbeitgebers - in diesem Fall sollte man sich eventuell nach einer neuen Arbeit unschauen).